Die Bürgerinitiative VIN-Rissen - Vorrang für Integration und Nachhaltigkeit in Rissen hat es sich zum Ziel gesetzt, die Politik bei der Findung integrationspolitisch sinnvoller und nachhaltiger Maßnahmen zur Flüchtlingsunterbringung zu unterstützen. VIN-Rissen ist sich einig, dass auch der Stadtteil Hamburg-Rissen seinen Beitrag bei der Lösung der Flüchtlingsprobleme in Hamburg zu leisten hat. Die Unterbringung von Flüchtlingen auf dem vorgesehenen Gebiet soll nicht verhindert werden. Es muss jedoch eine für alle Beteiligten langfristig sinnvolle Gestaltung und Nutzung der Fläche erreicht werden. Aktuelle Forderungen der Politik zur Errichtung von großen Wohnanlagen für die konzentrierte Unterbringung von mehreren tausend Menschen wirken nicht nur kontraproduktiv auf alle Integrationsbemühungen – sie verhindern auch ein nachhaltiges Zusammenwachsen der neuen Siedlungsräume mit den gewachsenen Stadtteilen.
„Neben allgemeinen Integrationsstrategien und Maßnahmen, insbesondere der Sprachförderung und der Bildungs- und Beschäftigungspolitik, habenquartiersbezogene Ansätze zur Integration vor Ort wachsende Bedeutung. Das unmittelbare Wohn- und Lebensumfeld und das nachbarschaftliche Zusammenleben sind mitentscheidend für Erfolg und Verlauf von Integrationsprozessen. Integrationspolitik und Stadtentwicklungspolitik müssen daher als fachübergreifende Querschnittsaufgaben zusammenwirken.“ (Quelle)
Eine erfolgreiche und nachhaltige Flüchtlingsintegration muss auf den folgenden 10 Punkten fußen:
Bauleitpläne gewährleisten eine nachhaltige Stadtentwicklung. „Nachhaltige Stadtentwicklung und hier besonders die Frage, welche baulichen Nutzungen wo hingehören, hat für das Leben und Zusammenleben in unseren Städten und Gemeinden erhebliche Bedeutung – gerade auch für das Leben und Zusammenleben mit den Menschen, die bei uns Zuflucht vor Krieg und Verfolgung suchen. Es geht hier auch um Fragen der Integration.“ (Quelle: Punkt 2)
Für das Gelände der alten Maschinenfabrik existiert ein rechtskräftiger Bebauungsplan für 230 Wohneinheiten, welcher alle infrastrukturellen, städtebaulichen, umweltpolitische und gesellschaftlichen Anforderungen angemessen berücksichtigt. Dass Flüchtlinge nunmehr einzubeziehen sind, verändert keine der bisherigen Rahmenbedingungen.
Eine angemessene Bürgerbeteiligung trägt dazu bei, tragfähige Lösungen für gesellschaftliche Problemlagen zu finden, indem Bedarfe und Interessen der Bevölkerung aufgenommen und integriert werden. Das setzt voraus, dass eine ehrliche politische Zielsetzung gegeben ist. Die Herstellung von Transparenz und die gegebene Beteiligung am Entscheidungsprozess sind dafür der Maßstab. VIN-Rissen geht davon aus, dass eine langfristige Beteiligung, über die Bauphase des Projektes hinaus, erforderlich sein wird. Um eine Integration zu gewährleisten wird auch in der Nutzungsphase eine weitere Beteiligung der Bürger, z.B. bei flankierenden Integrationsmaßnahmen erforderlich sein.
„Bei der Zuteilung von Sozialwohnungen neigen sowohl private als auch kommunale und staatliche Wohnungsgesellschaften vielfach dazu, Migranten und insbesondere auch Flüchtlinge in Wohnanlagen zu konzentrieren. Das hat betriebswirtschaftliche Gründe, weil sich auf diese Weise der sonstige Wohnungsbestand leichter stabil halten lässt. Konzentration aber verhindert, dass sich Flüchtlinge in unserer gesellschaftlichen Mitte aufgenommen fühlen. Bei einer Vollbefragung in Münster wurde festgestellt, dass die Migranten sich gern integrieren wollten, aber aufgrund der beschriebenen Mechanismen relativ separiert von der übrigen Bevölkerung untergebracht worden waren.“ (Quelle: Die Arbeitsintegration von Flüchtlingen in Deutschland, Bertelsmann Stiftung, 2015, Seite 25)
VIN-Rissen lehnt die geplante Unterbringung in großen Einheiten unter ghettoähnlichen Verhältnissen ab. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass dadurch die Integration von Migranten erschwert oder sogar unmöglich gemacht wird.
Darüber hinaus verringert eine maximal mögliche Dezentralisierung in vielfältiger Weise die Folgekosten der aktuellen Herausforderung Flüchtlinge langfristig unterzubringen. Vorhandene Infrastrukturen (Kitas, Schulen z.B.) können besser genutzt werden, Hilfsangebote der Bürger sind in erreichbarer Nähe. Die Integrationskosten sinken gravierend, weil die Folgekosten misslungener Integration schon im Vorwege so weit möglich vermieden werden.
In der Größenordnung gleiche und realistische Verhältniszahlen von Flüchtlingen und Stadtteilbewohnern stellen sicher, dass die Integrationsherausforderungen ausgewogen auf die Stadtteile verteilt werden. Das ist gerecht und schafft zusätzliche Solidarität.
VIN-Rissen fordert deshalb die Erstellung eines Hamburger Verteilungsschlüssels, der auf der Grundlage der Bevölkerungsverteilung in den Hamburger Stadtteilen und unter Einbeziehung weiterer Integrationsgesichtspunkte (z.B. Nähe der Arbeitsplätze, Infrastrukturen, Bevölkerungsstruktur, Städtebauplanung und Flüchtlingsstruktur etc.) die Verteilung organisiert.
Über eine maximale Dezentralisierung der Unterbringung der Flüchtlinge hinaus ist darauf zu achten, dass auch in den vorgesehenen Wohngebieten zur langfristigen Unterbringung bereits von Beginn an eine Durchmischung sichergestellt wird. Hier verzahnen sich die politischen Ziele des Senats nach der Schaffung von Wohnraum mit den zusätzlichen Erfordernissen für Flüchtlinge Wohnraum zu schaffen. Im Grunde ist der Druck durch die Flüchtlinge eine WIN/WIN-Situation für alle Hamburger die Wohnraum benötigen.
Bei aller Not der neu ankommenden Flüchtlinge dürfen überdies die hilfebedürftigen Menschen, die es heute schon in Hamburg, gibt nicht vergessen werden. Es ist schwer vermittelbar, weshalb neu geschaffener Sozialer Wohnungsbau exklusiv für Flüchtlingsfamilien zur Verfügung gestellt werden soll. Es darf keine „Zwei-Klassen-Hilfsbedürftigkeit“ entstehen!
Die in dem Bebauungsplan Rissen 45 für 230 Wohneinheiten festgelegten infrastrukturellen Maßnahmen müssen als „Mindestanforderung“ für das jetzt geplante Quartier verstanden werden. Die verkehrstechnische Anbindung ist bereits bei normaler Wohnungsbelegung problematisch. Für die Flüchtlingsunterbringung ist ein erhöhter Belegungsschlüssel von 5 Menschen je Wohnung vorgesehen. Für die daraus resultierenden erhöhten Verkehrszahlen bedarf es eines überarbeiteten Verkehrsanbindungskonzeptes. Hierbei darf auch der zurückgestellte Bau einer Brücke zur Querung der S-Bahn Trasse kein Tabu sein.
Eine nachhaltige Quartiersplanung muss ggf. auch die Zeit nach der Flüchtlings- und sozialer Bindung der Wohnungen berücksichtigen. VIN-Rissen setzt sich für die Errichtung eines Quartiers ein, welches langfristig für junge Familien attraktiv und bezahlbar ist und sich in die gegebene Bebauung des Rissener Stadtteiles einfügt.
Aus Fehlern der Vergangenheit muss gelernt und die Errichtung von Wohnsilos mit Potenzial für Soziale Brennpunkte vermieden werden.
„Quartiersansätze müssen künftig Kindergärten und Schulen sehr viel stärker in das Zentrum von Strategien und Maßnahmen stellen.“ (Quelle: BMVBS-Online-Publikation, Nr. 08/2010, Migration/Integration und Stadtteilpolitik - Städtebauliche Strategien und Handlungsansätze zur Förderung der Integration, Seite 102) Neben den existierenden Bebauungsplänen für das Grundstück Suurheid ist diese Erkenntnis zentral für die Nachhaltigkeit von Wohnungsbaumaßnahmen, Integrationsmaßnahmen und die Perspektive des Quartiers Rissen-45 Suurheid.
Es ist klar, dass alle baulichen Maßnahmen dem „Stand der Technik“ entsprechen müssen. Bei Neubauten stellt z. B. die Energieeinsparverordnung (EnEV) generell Anforderungen an die energetische Qualität. Wenn Neubauten unbefristet und auf Dauer genutzt werden sollen, kommt ihnen mit Blick auf die Ziele der Bundesregierung zur Energieeinsparung besondere Bedeutung zu. Bei der Errichtung von Neubauten zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden finden auch die Pflichten des Erneuerbaren-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) zur anteiligen Nutzung von erneuerbaren Energien Anwendung.
Integration darf nicht mit der Bereitstellung von Wohnraum aufhören! Die soziale Infrastruktur muss zeitgleich mit der Fertigstellung der Bauabschnitte zur Verfügung stehen.
VIN-Rissen fordert die Politik daher auf, entsprechende Konzepte zu entwickeln und die dafür erforderlichen Mittel (z.B. Einrichtung von Büros für integrierte Stadtteilentwicklung mit angemessenen personellen und räumlichen Kapazitäten, Förderung von Betreuung und Vereinsarbeit) bereitzustellen.
Es ist für die Flüchtlinge von großer Bedeutung, dass bei einer Zuweisung des Wohnraums darauf geachtet wird, Konfliktpotentiale zu beachten und zu minimieren. Eine gezielte Zuweisung des Wohnraums kann hier helfen, indem Gruppen mit Konfliktpotenzial voneinander getrennt werden. Weiterhin sollte eine heterogene, aber verträgliche Durchmischung von Flüchtlingsgruppen stattfinden, um das Entstehen von Parallelgesellschaften zu vermeiden
Eine Situation mit einer derart hohen Anzahl von Flüchtlingen überfordert alle vorhandenen Strukturen. Selbst bei allem guten Willen sind die vielen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Hilfskräfte bereits heute an ihre Grenzen gelangt. Daher fordert VIN-Rissen zusätzliche, qualifizierte Personalressourcen bei den betroffenen Behörden und Organisationen und das Aufsetzen eines professionellen Projektmanagements.
Mit diesem Werkzeug soll sichergestellt werden, dass die komplexen Aufgabenfelder zusammenhängend gesehen und bearbeitet werden. Zudem ermöglicht eine systematische Projektorganisation eine Verfolgung des Fortschritts für alle Interessengruppen.